
artist in residence 2005
Oder aber eine intensiv-kreative Atmosphäre, in der künstlerische Freundschaften entstehen.
Vor allem jedoch, sich selbst zu entwickeln und auch immer wieder unter Beweis zu stellen. Denn – spielt man mehrere Konzerte an einem Ort, reduziert sich zwangsläufig der „Überraschungseffekt“ oder „Neuheitsbonus“ beim Publikum. Man muss die Hörer jedes Mal erneut zu fesseln, zu berühren, zu überzeugen wissen, damit sie auch weiterhin zu den Konzerten kommen.
Mit der Stadt Chemnitz, der Sächsischen Mozartgesellschaft e.V. und insbesondere mit der Villa Esche verbindet mich seit einigen Jahren eine sehr kreative Beziehung. Ich ahnte dies natürlich noch nicht, als ich 2001 zum ersten Mal nach Chemnitz kam und in einer noch nicht fertig gestellten Villa zwei Konzerte gab. Es war ein faszinierendes Erlebnis, auf einer halben Baustelle die Werke von Mozart und Schönberg spielen zu können. Daraus entstand eine erste CD, der später eine zweite, kammermusikalische, folgte.
Die Villa Esche bietet für Konzerte einen einmaligen Rahmen, der sich zwischen Salon und Kammermusiksaal bewegt. Man hat die intime Atmosphäre eines Salons, gleichwohl finden über 150 Menschen in ihren Räumen Platz. Dadurch entsteht eine Nähe zwischen Künstler und Publikum, die für mich sehr wichtig ist. Die Spannung des Musikwerkes wird so gemeinsam getragen.
Deshalb war es für mich auch ein großartiges Erlebnis, die Lisztsche Klavierfassung der Siebenten Sinfonie von Beethoven in der Villa zu spielen. Natürlich könnte diese Bearbeitung heute etwas antiquiert wirken, denn jeder Mensch kann sich die Sinfonie mittels hervorragender Aufnahmen nach Hause holen.
Die Lisztschen Gedanken dieser Bearbeitung sind jedoch ganz andere. Sie gibt einerseits mir als Pianisten die Chance, dem Publikum meine Auffassung dieses Orchesterwerkes mitzuteilen, andererseits Ihnen als Publikum die Gelegenheit, diese Sinfonie außerhalb eines großen Konzertsaales in einer kleinen, fast privaten, kammermusikalischen Atmosphäre zu erleben.
Liszt bearbeitete alle neun Sinfonien Beethovens auch nicht deshalb für Klavier, weil ihm noch kein CD-Player zu Hand war, sondern, weil in der Gesellschaft seiner Zeit die Menschen diese wunderbare Musik selbst spielen wollten, ausprobieren, wie sie unter ihren Fingern klingen würde.
Zudem erlaubt eine Klavierfassung viele Einzelheiten hervorzuholen, die im Orchester aus verschiedenen Gründen manchmal nicht zu hören sind. Diese Variante der 7. Sinfonie wurde somit gern in den Salons der damaligen Zeit gespielt und führte so zu einer viel größeren Verbreitung des Werkes.
Vielleicht erklang sie auch in der Villa Esche zur Zeit der Hausherren Herbert und Hanni Esche. Der Fabrikant war für seine Unterstützung der Künste weit bekannt, berühmte Künstlerpersönlichkeiten verkehrten in seiner Villa.
Es ist sehr erfreulich, dass dieser Kunst und Kultur fördernde Geist auch heute wieder dieses Haus erfüllt und bürgerliches und privatwirtschaftliches Engagement Chemnitzer Firmen eine solche Konzertreihe und ein Engagement als „artist in residence“ ermöglicht. Dafür möchte ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen!
Ich freue mich sehr auf unsere weiteren Konzerte im Verlaufe dieses Konzertzyklus‘, die dem Beethoven des 20 Jh. - wie Schostakowitsch einmal genannt wurde - gewidmet sind. Im September steht wieder der große Meister selbst auf dem Programm, umrahmt von einem Künstler, der ihn zutiefst verehrte und dessen 1. Sinfonie von den Zeitgenossen als 10. Sinfonie von Beethoven beschrieben wurde: Johannes Brahms.
Auf Wiedersehen in Chemnitz!
Vladimir Stoupel